Private Rechtsbrecher / Aussenseiter

Wer die Mörder von Paris statt als private Rechtsbrecher als Aussenseiter wahrnimmt, sich gewiss darüber ist, dass da ein (aussen)politischer Wille am Werk war, und mit einer Kriegserklärung antwortet, macht den sogenannten Islamischen Staat zu einem tatsächlichen. Der IS scheint als Kriegspartei anerkannt zu sein und bisweilen verhandeln Kriegsparteien Lösungen.

Stefan Laurin schreibt für Die Welt, N24 und schiebt die Option „diplomatisch anerkennen“ den Verwirrten der Friedensbewegung in die Schuhe, mit denen die Kriegsparteien dann das diplomatische Parkett betreten werden, sollte es nicht gelingen, mit Stiefeln diesen Konflikt auszutreten.

Re: Gedenkminute für Soziologen

Source: Gedenkminute für Soziologen

Lieber Klaus Kusanowsky

Kommunikation erklären zu wollen, führt zu nichts als vielleicht (mit Betonung auf vielleicht, weil unwahrscheinlich) Anschluss-Kommunikation eben, und besagte Anträge schreiben führt vielleicht zu G‘, also Geld in welcher Form auch immer. Die Präferenz für die eine Unwahrscheinlichkeit ist erwartbar, also weniger unwahrscheinlich solange es noch kein garantiertes bzw. bedingungsloses Grundeinkommen auch für Kommunikationserklärer gibt oder ein funktionales Äquivalent zu Geld gefunden ist, von dem bzw. mit dem ich leben kann (dann ohne Geld und ohne dafür Kommunikation erklären zu müssen).

Liebe – negativ und positiv

„Die verbale Nähe von Hass und Liebe regt zum weiteren Nachdenken an.“

Das Zitat stammt von Regula Stämpfli aus ihrer Kolumne Fragmente der Trauer (Basler Zeitung, 17. November 2015, Seite 9).

Salomo Friedlaender hat entsprechend nachgedacht und eine Skizze Liebe in seinem Buch Schöpferische Indifferenz (1918) veröffentlich. Hass ist demnach Liebe:

„Die Liebe, bloss auf ihr Plus, auf das Gegenteil des Hasses reduziert, würde jede Trennung aufheben. Der Hass, gewürdigt und empfunden als keine andre Liebe, sondern als deren sie ausschliessender Gegensatz, jede Verbindung.“ {Friedlaender 1918: 254–255}

Also kein Gegenbegriffsaustausch!?

Für Friedlander zerbricht die Sprache, was der Denkende polarisiert:

„z. B. Hass und Liebe, also die negative und die positive Liebe, dieses Links und Rechts der echten, der wundersamen Harmonie, deren beseligendes Gefühl man in sich empfindet, ohne sich leicht erklären zu können, weshalb sie objektiv so ohnmächtig scheint.“ {Friedlaender 1918: 37}

Die Sprache

„mache aus demselben Begriff mit verschiedenen Vorzeichen verschiedene Worte und erschwert dadurch die leichte Verständigung; sie zerspricht das polar Selbe. Sie hat für die negative Liebe das besondre Wort ‚Hass‘ ; und sie hat eigentlich gar kein Wort für das Allerwichtigste, für die polarisierende Gleichgültigkeit, für das Liebe und Hass kompensierende schöpferische Erleben ihrer Neutralität und Kommunität.“ {Friedlaender 1918: 77}

Hier habe die Sprache objektiv ihren blinden Fleck,

„ihr Vakuum und Intervall, wodurch sie polar wird, hier schweigt sie. Dieses Schweigen bedeutet für sie das Analoge, was für die Zahlenreihe die Null bedeutet, das durch nichts Positives noch Negatives mehr auszudrückende persönliche Integral aller differenzierten Worte, die schöpferische Sprach-Indifferenz. Nur unter diesem Vorbehalte lässt sich sprechen, dass man auch hier, wie bei den Naturkräften und in der Mathematik, besonders beim Rechnen, positive, neutrale und negative Grösse streng unterscheidet.“ {Friedlaender 1918: 77}

Ein ähnlicher Gedanke findet sich übrigens in Flussers Kommunikationsphilosophie unter dem Stichwort Abstraktionsleiter. Die Nullen der Kommunikationen-Punktwolke erleben in sich „den Dreh- und Wendepunkt aller Alternativen“ (Friedlaender 1918: 99), kehren sozusagen der Abstraktion den Rücken und wenden sich qua Projektion den konkreten Möglichkeiten mannigfaltigster Art zu (Stichwort: Sinn).

Friedlaenders Engel (mal mit mal ohne Anführungszeichen), d.h. der Mensch, der sich gern für den Weltmittelpunkt hält, wird zum Ding unter Dingen degradiert und dieser präzisiertere Mensch halb scherzhaft „Engel“ genannt (S. 3), kennt nun nicht bloss Richtungen und deren Gegensätze, sondern auch aller gemeinsames Zentrum: die Null (vgl. Wolfgang Eßbachs Der Mittelpunkt außerhalb) bzw. echtes Gleichgewicht. Der Mensch, der Alles auf die Minusseite bringe, sei höchstens ein Halb-Engel:

„Der ‚Engel‘ erst integriert die Lebens-Differenz — vor allem schon deshalb, weil er sie als solche und nicht als homogen einsinnig gerichtetes Kontinuum erkennt und behandelt. Er kennt seinen Lebenslauf als polar, deswegen macht er seinen „Tod“ zum absoluten Leben, zum Neutrum der Pole, durch ein gegenseitiges Egalisieren, durch Konterbalancement von innen her. Media morte sumus in vita ist die Devise der Engel.“ {Friedlaender 1918: 98}

Mitten im Tod ist wer im Leben, wenn junge Leute zu stellvertretenden Doppelgängern des „souveränen Menschen“ gemacht, in die Form des Selbstmordattentäters gebracht werden?

„Der souveräne Mensch, dessen Frage häufiger auftaucht, wenn Sozialisation beendet und der Erhalt der reifen Struktur des Selbst zur Gewohnheit geworden ist, sucht bisweilen bewußt die Schattenwelt der Regression auf, wie sie C. G. Jung ausbuchstabiert hat. Auf den Hadespfaden nähert sich diese Subjektivierungsweise spiral abwärts jenen Stellen, von denen aus das Idealselbst zum Schluß sagen könnte: ,Das war ich.‘. Angezogen von der Freiheit als der Imago einer absoluten Definitionsmacht und Handlungskompetenz übt sich souveräne Subjektivität in der Überwindung der Todesangst. Kurz gesagt: Souveränität entwirft ihre Grenzen vom Thema des Todes her.“ {Eßbach 2011: 162}

Die Mörder von Paris sahen plötzlich alt aus.

Problem der Nichtadressierbarkeit

Adrian Schulthess interviewt für die sonntagszeitung.ch den Baselbieter Konvertiten Abdullah C.:

«Ich habe gesagt, dass Frankreich dies aufgrund der militärischen Präsenz in Syrien verdient habe. Da man jedoch an die Drahtzieher dieser Aktionen nicht rankommt, müssen unschuldige Bürger für die Kriegslust büssen», sagt C. {Schulthess 15. November 2015: 9}

Wen meint C. mit den nichtadressierbaren Drahtziehern? Wollte man an zum Beispiel Frankreich „rankommen“, dann könnte er den Président de la République française, François Hollande, nicht nur über seinen verifizierten Twitter-Account  (@fhollande) erreichen, sondern ihm auch über seine Webseite http://www.elysee.fr/ecrire-au-president-de-la-republique/ bzw. auf dem Postwege schreiben und/oder ihn im Élysée-Palast besuchen. Macht er aber nicht.

Von kreativen Sprüngen und überlebenden Fehlern

„Noch weniger hilft die in der Soziologie übliche Unterscheidung von Struktur und Prozeß. Von ihren offenkundigen Mängeln abgesehen – daß sie nämlich weder die Änderbarkeit der Strukturen noch die Strukturiertheit der Prozesse erfaßt –, benutzt sie objektivierende Begriffe von etwas Feststehendem und etwas Fließendem, in deren Entgegensetzung das Wesen der Zeit verborgen bleibt.“

Das Zitat stammt aus Niklas Luhmanns Vertrauen (4/2000: 9).

In einer Entgegensetzung bleibt etwas verborgen (Synonymgruppe: latent, unbewusst, unterschwellig, verborgen, versteckt) und zwar die gegenüberliegende Seite bzw. die Bewegung, welche die Beobachtung machen müsste, wollte sie die Gegenseite erreichen. Ich komme später auf das Problem(?) zurück, dass Unterscheidungen oft nahezu unbemerkt geändert werden.

Eine Formulierung aus Luhmanns Das Recht der Gesellschaft, Seite 26 aufgreifend: Unterscheidet die Beobachtung etwas von allem anderen, bezeichnet sie Objekte. Unterscheidet sie etwas von bestimmten (und nicht von anderen) Gegenbegriffen, bezeichnet sie Begriffe und dabei hat sie es offenbar auch mit Negation(en) zu tun: das und alles andere nicht. Und „bestimmt“ meint feststehend (und dem Sprecher oder Hörer bekannt, sodass eine nähere Erläuterung unnötig ist), hat mit nennen, anordnen und festsetzen zu tun: einen Ort bestimmen.

Das erste Axiom in George Spencer Browns Laws of Form ist das Gesetz des Nennens:

„Wenn der Inhalt Wert hat, kann gleichermaßen ein Motiv oder eine Absicht oder Anweisung, die Grenze in den Inhalt hinein zu kreuzen, herangezogen werden, um diesen Wert zu bezeichnen. Somit kann das Kreuzen der Grenze ebenfalls mit dem Wert des Inhalts identifiziert werden.“

Schwierig wird es, wenn wir uns auf der Gegenseite bestimmte Gegenbegriffe vorstellen möchten. Vielleicht hilft das zweite Axiom weiter:

„Wenn beabsichtigt ist, eine Grenze zu kreuzen, und dann beabsichtigt ist, sie noch einmal zu kreuzen, ist der Wert, der durch die zwei Absichten zusammen bezeichnet wird, der Wert, der durch keine der beiden bezeichnet wird.“

Eine Spur der zwei Absichten, Dieses Spiel geht nur zu zweit und wer sagt schon, die Beobachtung sei ein Beobachter?

Besonders angeregt – schreibt Peter Fuchs in einem Exkurs: Gegenbegriffsaustausch – habe ihn die Formulierung: „Bewußtsein im Unterschied zum Gehirn ist etwas anderes als Bewußtsein im Unterschied zur Kommunikation. […] Das Auswechseln des Gegenbegriffs, die sogenannte antonym substitution, ist für die Bestimmung des Begriffs, um den es geht, von entscheidender Bedeutung.“ (Baecker, D., Die Unterscheidung zwischen Bewußtsein und Kommunikation, in: Krohn, W./Küppers, G. (Hrsg.), Emergenz: die Entstehung von Ordnung, Organisation und Bedeutung, 2. Aufl., Frankfurt a.M.1992, S. 217-268, hier: S.225/226.)

Er hatte sich verheddert in die Differenz von Gehirn/Bewußtsein:

„Verheddern, das hieß, daß ich mich in die Abgründe der Neurologie verwickelte, aber von dort aus kein Fortkommen sah, weil Gehirne nun einfach nicht denken, also etwas wie Sinn nicht produzieren. Der Baeckersche Hinweis führte zu einer Extremersparnis, insofern der Zusammenhang von Bewußtsein/Kommunikation ein ganz anderes Feld eröffnet und außerdem so etwas wie eine de-ontologisierende Eleganz ermöglicht.“

Er habe dann ähnliche Substitutionen ausprobieren können, etwa Natur/Kultur, Natur/Sinn, Natur/Gesellschaft etc.

Praktisch gesehen, gehe es darum, „in der je eigenen Arbeit superevidente Unterscheidungen durch ein ‚Was wäre, wenn …?‘ aufzulösen“.

„Inevident heisst, die Routine stockt.“ (Wolfgang Eßbach)

Das Problem scheint für Luhmann in Die Wissenschaft der Gesellschaft, S. 236-237 darin zu bestehen, „daß Unterscheidungen oft nahezu unbemerkt geändert werden, indem man die bezeichnete Seite, an der das Anschlußwissen hängt, festhält, aber ihren Gegenbegriff austauscht.“

„So kam man (ohne zureichende Kontrolle dieses Substitutionsvorgangs) von der alten Unterscheidung Natur und Gnade im 18. Jahrhundert zu Natur und Zivilisation und im 19. Jahrhundert zu Natur und Geist – ein Austausch, der im übrigen signalisiert, daß sich das Naturverständnis verändert, wenn nicht auflöst, ganz unabhängig von der Kontinuität theoriegeleiteter Forschungen in den sogenannten Naturwissenschaften. Auch über Theorieentwicklungen informiert man sich am besten durch die Frage, welche Unterscheidungen einen Begriff bestimmen. So bezeichnete der Gesellschaftsbegriff in der Unterscheidung von Staat etwas anderes als in der Unterscheidung von Gemeinschaft, und davor lag eine Tradition, die sich mit der Unterscheidung von häuslichen und politischen Gesellschaften begnügte. Oder: man spricht nicht über dasselbe, wenn man die Unterscheidung von System und Umwelt durch die Unterscheidung von System und Lebenswelt ersetzt und dann auf dieser Basis gegen die Ansprüche »der« Systemtheorie polemisiert.“

Wie bemerkt nun (kontrolliert?) die Beobachtung, dass Unterscheidungen geändert werden? (Und wie können wir uns Anschlusswissen vorstellen, das an der bezeichneten Stelle hängt?)

Die o.g. Antonym Substitution kenne ich aus der Versprecherforschung:

Lexical (Word) Selection Errors (Only lexemes)

Semantically Based Substitution Errors

  1. Antonym Substitution
    • It’s too damn hot . . . , I mean, cold in here
    • He rode his bicycle tomorrow (yesterday)
    • All I need is something for my elbows (shoulders)
  2. Synonym Substitution is not perceived as an error:
    • I was starving (ravenous)
    • on the couch (sofa)
    • on the pier (dock)

Die Idee der strukturalistischen Sprachwissenschaft ist:

Ersetzung eines Elements einer sprachlichen Kette durch ein anderes Element zur Ermittlung der in Opposition stehenden Einheiten einer Sprache,

über den methodischen Umweg der Beobachtung von Fehlern auf den konstruierten Normalfall zu schliessen. Im Gegensatz dazu wird Synonym Substitution nicht als Fehler wahrgenommen. Es braucht also mindestens zwei beobachtende psychische Systeme zur Phänomenalisierung eines Fehlers. Das weitere Problem besteht nun darin, dass es sich dabei sozusagen um überlebende Fehler handeln muss, also um Fehler, die bereits ins Repertoire aufgenommen wurden, sonst wären sie nicht wahrnehmbar (gewesen in the first place). Stichworte dabei sind: error propagation, also die Verbreitung von Fehlern mit Hilfe entsprechender Medien. Und bemerken kann die Beobachtung dann, dass es immer mehr zu beobachten gibt.

Das scheint Luhmann in Die Politik der Gesellschaft, S. 295 nicht zu befriedigen:

„Die öffentliche Meinung favorisiert mithin einen Gegenbegriffsaustausch: Konsens/Dissens statt Konsens/Gewalt. Oder anders gesagt: sie favorisiert das Beobachtungsschema Konsens/Dissens und verbirgt mit dem blinden Fleck dieses Schemas das, worauf es in der Politik letztlich ankommt: die legitime Disposition über staatlich organisierte Gewalt.“

Ob solche Beobachtungsschemata in der Theoriearchitektur auf der späteren Basis der Laws of Form (kurz: LoF) noch konsistent gehalten werden können, möchte ich jetzt hier dahingestellt (und damit bezweifelt) sein lassen. Mit dem blinden Fleck scheinen wir wieder zwischengelandet zu sein bei der Synonymgruppe: latent, unbewusst, unterschwellig, verborgen, versteckt – und einem Beobachter mit Sehvermögen (=Luhmann).

Luhmann findet in Die Wissenschaft der Gesellschaft, S. 102 – ihm erscheint „Wissenschaft in der Beobachtung zweiter Ordnung (die auch durch die Wissenschaft selbst durchgeführt werden kann; siehe hier) als im Prinzip logikunfähig“ (noch logikunfähig? Weil ohne LoF?) –,  einen Ansatz

„für das Nachzeichnen einer Wissenschaftskritik im Sinne von Husserl, Schütz oder Habermas. Nur arbeitet die im Text oben angedeutete Kritik nicht mit Gegenbegriffen zu Technik oder instrumenteller bzw. strategischer Kommunikation; ganz zu schweigen vom Topos der Herrschaftsfreiheit. Sie zielt viel tiefer, den ganzen Habermas einbeziehend, auf eine Kritik von Positionen, die in Anspruch nehmen, daß sie das Wahre, Vernünftige, Richtige sehen oder wenigstens Wege und Verhaltensweisen aufzeigen können, die dahin führen. (Ich halte dies aufrecht auch nach Kenntnisnahme der Aufsätze in: Jürgen Habermas, Nachmetaphysisches Denken, Frankfurt 1988).“

Für Normalsterbliche „spielen sich neue Formen der lebensweltlichen Benutzung von »unverstandenem« Wissen ein — vor allem in der Benutzung technischer Artefakte und, in geringerem Umfange, statistischer Daten“ (ebd., S. 162). Oder Normen als ein weiteres Beispiel für Formen, welche die Zukunft binden; siehe Esposito, Elena (2002): Soziales Vergessen, S. 361.

Für Luhmann (a.a.O., S. 162, Fussnote 47) liegt hier „denn auch der Punkt, an dem Husserl, freilich von einer transzendentaltheoretischen Gegenbegrifflichkeit aus, seinen Begriff der Lebenswelt einsetzt. So bekanntlich in: Edmund Husserl, Die Krisis der europäischen Wissenschaften und die transzendentale Phänomenologie, Husserliana, Bd. VI, Den Haag 1954.“

Der Kreis scheint sich geschlossen zu haben. Die Methode des Gegenbegriffsaustauschs funktioniert unter der Bedingung: Nehme die Ersetzung an der gleichen Position des Syntagmas vor. Das Zusammengestellte der funktional differenzierten Gesellschaft unterscheidet sich nun jedoch wesentlich von einer sprachlichen Kette. Sie wird zum Beispiel in diesem Ausschnitt eines Lehrfilms (Hoppe, Fuchs (Hg) 2012 – Systemtheoretisches Denken – DVD_1_Soziale_Systeme) als Punktwolke visualisiert:


#00:20:29-4# Die Grafik von den Funktionssystemen der Gesellschaft ist bereits eine Beobachterleistung; denn die Gesellschaft besteht aus Kommunikationen, die milliardenfach aneinander anschliessen. Im Laufe der Evolution haben sich bestimmte Cluster gebildet, die diese Kommunikationen mit Strukturmerkmalen ausgestattet haben. Diese Strukturen lassen sich unterscheiden und bezeichnen. Jedes Funktionssystem reproduziert sich durch eigene Kommunikationsformen. …

An welcher Position sollten wir nun die Ersetzung vornehmen? Ein Beispiel: Mit Peter Fuchs würden wir versuchen, die Form der Kontrolle zu bestimmen, also eine antagonistische Differenz konstruieren, die den Begriff ‚Kontrolle‘ so sehr abstrahiert, dass sie nicht ausgeblendet werden kann, wenn man über ‚Kontrolle‘ spricht. Diese antagonistische Unterscheidung wäre der Meinung meiner Ehefrau nach: Kontrolle/Kreativität. Und mit Uli Reiter können wir nun fragen,

„was denn nun die Beobachtung der Mitteilungen eines Kreativen, der in der psychiatrischen Praxis sitzt, von der Beobachtung der Mitteilungen eines Kreativen in einem Atelier unterscheidet – unter welchen Bedingungen die eine oder die andere greift und was dadurch jeweils für Anschlussoptionen eröffnet werden?“ (E-Mail von Uli Reiter am 22.02.2013, 19:29 an die iATS – Mailingliste zum Thema Pathologisierung – Funktionalität, Selbstbeschreibung, Kreativität / E-Mail-Konversation mit Josef Heck)

Das Element, mit dem wir die Ersetzung durchspielen, ist nun also kein Wort mehr (das war das Beispiel hot oder cold bei der obigen Antonym Substitution). Stattdessen handelt es sich jetzt um eine gedankenexperimentelle Beobachtung von Beobachtungsschemata an verschiedenen Positionen der o.g. Punktwolke (Stichwort: Änderung der Fortsetzbarkeitsbedingungen) mit der Frage, ob der Kommunikation ihre Verkettung dann noch gelingen könnte.

(Mit dem zusätzlichen Problem für die psychischen Systeme, die dafür notwendige Bedingung, die gedankenexperimentell produzierenden Fehler, ins stille Kämmerlein der Beobachtung 2. Ordnung zu verschieben.)

Es geht sie nichts an. Wolfgang Sofsky zu Freitod und Politik

Wenn man behauptet, er dürfe darüber bestimmen, wann und wie ein Untertan die Welt verlässt, ruf Wolfgang Sofsky in Erinnerung:

Der Freitod ist jedem freigestellt, zu jeder Zeit, an jedem Ort, in jedem Alter, ob siechkrank oder kerngesund, ob trübsinnig, überdrüssig, freudig erregt oder weltverekelt. Ferner: Die Beihilfe zum Freitod ist ebenfalls freigestellt.

Source: Freitod und Politik

Emigrieren

„Das Ich ist aus mir hinaus ausgewandert und in die Welt hinein. Dort steht es mir fremd gegenüber – zum Verwechseln ähnlich den vielen Anderen da draussen und kein noch so aufmerksames dem Welt-Ich zugewendetes Fragen und Hören ergibt eine Antwort, die man unterscheiden könnte vom Text der Anderen, die einem da gegenüber stehen.“

Das sagte Rainald Goetz in seiner Büchnerpreis-Rede. Unser Mittelpunkt ‚ist‘ ausserhalb. Ein Nullpunkt. Abstraktion kehrt sich dort um und projiziert zugleich Möglichkeiten. Eine bleibt vielleicht übrig. Alle übrigen Gäste sind bereits gegangen. Eine Diagonale aus Nullpunkten. Ein Punkt neben den beiden Anderen.

Welcome to the Machine

Welcome my son, welcome to the machine.
Where have you been? It’s alright we know where you’ve been.
You’ve been in the pipeline, filling in time,
provided with toys and Scouting for Boys.
You bought a guitar to punish your ma,
And you didn’t like school, and you know you’re nobody’s fool,
So welcome to the machine.
Welcome my son, welcome to the machine.
What did you dream? It’s alright we told you what to dream.
You dreamed of a big star, he played a mean guitar,
He always ate in the Steak Bar. He loved to drive in his Jaguar.
So welcome to the machine.

Das ist der Text des zweiten Songs auf Pink Floyds Album „Wish You Were Here“, erschienen 1975. Ob vor 40 Jahren mit „The Machine“ die Musikindustrie gemeint war, im Gegensatz zu einem „forum of artistic expression“ (vgl. die englische Wikipedia), interessiert mich heute nicht (mehr so sehr). Heute geht es um einen Vortrag von Martin Fink vor der 10. Jahreskonferenz des Software Freedom Law Center (kurz: SFLC). Dieser Vortrag fiel mir im Kontext des FreedomBox Projekts auf, da ich gerade die aktuelle SFLC-Konferenz verfolge.

Martin Fink ist CTO bei HP und Direktor der HP Labs und vor einem Jahr sprach er zum Thema „FOSS and the Machine“. Die Aufzeichnung seiner Keynote ist hier verfügbar. Ab Minute 02:18 geht es um Leistungs- und Aufnahmefähigkeit (capacity), um die Leistungsfähigkeit der IT-Branche, immer neue Daten zu produzieren, und um begrenzte Aufnahmefähigkeit: die Maschine sei bald voll ausgelastet (=Problem @ 02:36), „hitting a wall“. Und die Lösung sei nun eben: The Machine.

Und das erinnert mich an einen Text von Peter Krieg aus dem Jahre 2004: „The Red Brick Wall. Computing faces the end of a road…„:

One possible answer comes from the “Pile System”, a revolutionary new approach developed by an independent Israeli inventor outside of academia and industry.

Peter ist 2009 gestorben und die Firma „Pile Systems Inc.“, für die ich als designierter CTO tätig war, Geschichte. Peter hatte Erez Eluls Technologie auch den Leuten beim HP Labs vorgestellt. Jetzt also: The Machine. (Fortsetzung folgt)

Gegenbegriffsaustausch

Angenommen, jede Beobachtung und Beschreibung muss eine Unterscheidung zugrunde legen:

“Um etwas bezeichnen (intendieren, thematisieren) zu können, muß sie es erst einmal unterscheiden können. Unterscheidet sie etwas von allem anderen, bezeichnet sie Objekte. Unterscheidet sie dagegen etwas von bestimmten (und nicht von anderen) Gegenbegriffen, bezeichnet sie Begriffe.“
Luhmann (1995), „Das Recht der Gesellschaft“, S. 26
Es geht hier sehr allgemein um die Arbeit am Begriff, in meiner aktuellen Arbeit konkret um „Kontrolle“ und, eine abschweifende Formulierung von Peter Fuchs aus seinem Einführungskurs in die allgemeine Theorie der Singsysteme aufgreifend, darum:
in der je eigenen Arbeit superevidente Unterscheidungen durch ein ‚Was wäre, wenn …?‘ aufzulösen.
Dabei – beim Versuch, eine antagonistische Differenz Kontrolle / X zu konstruieren – erscheint mir das hier schon mehrfach erwähnte DWDS-Wordprofil hilfreich.